Villa mea - Mein Dorf

Bickenriede nach dem Hochwasser vom 11. Juli 1906

Gemeindeschenke vor 1910 - diese Gebäude wurde 1857 errichtet

Dörnaer Warte um 1920

"Jungfrauenkongregation" mit Pfr. Nikolaus Görich (um 1930)

Postkarte um 1940

Erntedank 1930 auf dem "Zieh"

Bickenriede um 1950

Luhnebach 1965

Dorfansicht um 1965

Winter 1970/71

Postkarte zu DDR-Zeiten

Postkarte 1990

Ansicht 2016
Es folgt mein erster geschriebener Artikel aus dem Jahr 2006
860 Jahre Bickenriede
Am 12. August 2006 wird das Eichsfelddorf Bickenriede 860 Jahre alt. Gewiss kein ganz rundes Jubiläum, aber sicherlich ein Grund um Rückschau zu halten. Vor 10 Jahren, also zur 850-Jahr-Feier, wurde eine Festwoche veranstaltet, an die sich sicherlich noch viele erinnern werden. Ausstellungen im Kulturhaus und in der Kirche und auch musikalische Veranstaltungen wurden durchgeführt.
Aber zunächst machen wir einen großen geschichtlichen Sprung zurück an den Anfangspunkt unserer Ortsgeschichte.
Pfarrer Nikolaus Görich hinterlässt uns mit seiner 1934 erschienen „Chronik des eichsfeldischen Dorfes Bickenriede“ einen unermesslichen Schatz über unsere Ortsgeschichte. Pfarrer Görich stammte gebürtig aus Dingelstädt und war der Sohn eines Schuhmachers. Am 1. März 1927 übernahm er die Pfarrei Bickenriede. Schon 1932 brachte er eine „Chronik über das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Anrode“ heraus. Bei der Recherche über das Kloster fand er auch ergiebiges Material für eine Chronik von Bickenriede.
Das Dorf war jahrhunderte dem Kloster Anrode unterstellt, 1356-1810.
Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Bickenriede fällt auf den 12. August 1146. An diesem Tage bestätigte Heinrich I. (*1090-9.2.1153), der wahrscheinlich ein Angehöriger der Grafen von Wartburg/Thüringen war, als Erzbischof von Mainz (1142-1153) dem Erfurter Peterskloster eine Mühle und 8 Hufen ebenso vielen Hofstätten und zwei Wäldchen zu Bickenried. Damals schenkten die Gebrüder Folrad und Hartog von Kirchberg dem Peterskloster bei ihrem Eintritt ins Kloster 27 Hufen Land. Diese 27 Hufen verteilen sich auf folgende Orte, einige von ihnen existieren noch heute, es sind: Erzwinkel, Kirchberg, Kefferhausen, Bickenriede, Günzerode, Heuthen und Escherichsrode. Schon 1134 schenkt ein gewisser Dietmar von Kirchberg bei seinem Eintritt in das Erfurter Peterskloster Ländereien in Wachstedt, Kirchberg, Hirschwinkel und Kule. Folrad und Hartog hatten noch einen Bruder Hermann. Alle drei waren Neffen von Dietmar von Kirchberg. Auf dem „Kerbschen Berg“, dem bekannten Wallfahrtsort bei Dingelstädt, der eigentlich Kirchberg´scher Berg heißen müsste, stand einst das Schloss Kirchberg. Das Geschlecht starb im Jahre 1464 aus.
Die eigentlichen Herren über unseren Ort aber waren die Grafen von Gleichen denen die Schlösser Gleichenstein, Scharfenstein und Birkenstein gehörten.
Das nächste wichtige Datum in der Ortsgeschichte des Dorfes Bickenriede ist der 15. November 1294. An diesem Tage genehmigte der Thüringer Landgraf den Verkauf der Schlösser Gleichenstein, Scharfenstein und Birkenstein an das Erzbistum Mainz für 1100 Mark feinen Silbers und 500 Mark Freiburger Silber. Die Grafen von Gleichen sahen sich zu diesem Schritt gezwungen infolge großer Verschuldung. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte Mainz schon einige Güter auf dem Eichsfeld besessen; darunter Heiligenstadt und den Rusteberg um 1000, Kloster Gerode und Amt Harburg um 1124, Amt Bischofstein 1320, Duderstadt und das Untereichsfeld 1342.
Insgesamt 508 Jahre unterstand das Dorf kirchlich und politisch dem Erzbischof und Kurfürsten zu Mainz. Grundherr und Besitzer des Dorfes aber wurde von innerhalb 88 Jahren das 1268 Neugegründete Zisterzienserinnenkloster Anrode. Dieses Kloster wurde von dem Reichsministerialen Heinrich Kämmerer von Mühlhausen gestiftet mit einer Dotation von 10 Hufen und Hofstätten nebst der Kirche im ehemaligen Dorf Anrode. 1344 bekam Anrode vom Mainzer Erzstift die niedere oder Zivilgerichtsbarkeit über Bickenriede. Die hohe oder Kriminalgerichtsbarkeit blieb bei Mainz. Ebenfalls wurden 1344 die Hoheitsrechte über Bickenriede dem Kloster Anrode eingeräumt. Zwei Jahre später – 1346 – bekam Anrode vom Heiligenstädter St. Martinsstift auch das Patronatsrecht über die Pfarrkirche von Bickenriede. 1356 wurde das Patronatsrecht von Mainz bestätigt. Bis zum Jahre 1810, dem Jahre der Klosteraufhebung, unterstand das Dorf dem Frauenkloster Anrode. Ab dem Jahre 1346 wohnte kein Pfarrer mehr in Bickenriede. 1307 lebte im Bickenrieder Pfarrhaus ein Pfarrer mit Namen Conrad, 1341 ein Pfarrer Johann. 1346 übernahm der Klosterpropst oder der Klosterkaplan die Aufgabe des Pfarrers. Das Pfarrhaus wurde geschlossen und anderweitig genutzt. Ab 1356 also gehörte das Dorf Bickenriede völlig mit Land und Häuser dem Kloster Anrode mit insgesamt 98 Hufen (1 Hufe = 30 Morgen). 1 Hufe und ein Haus beließ das Kloster der hiesigen Dorfkirche, ferner noch das Backhaus zur Deckung der Kultuskosten.
Von 1356 bis 1525 erlebte Anrode die Zeit der Blüte. 1359 führte Anrode eine Fluraufteilung durch. Es waren nun mittlerweile 98 Hufen Landes durch Kauf, Tausch oder Schenkung an Anrode gefallen. Da das Kloster diese vielen Ländereien überhaupt nicht allein bewirtschaften konnte, wurde das Land an 24 Neugegründete Bauerngüter in Bickenriede verpachtet. Jedes Bauerngut bekam 4 Hufen, also 100-120 Morgen. Das Land wurde nun von den besser gestellten Familien bewirtschaftet. Die anderen Familien blieben zunächst ohne Grundbesitz, abgesehen von ihren Häusern und mussten als Knechte oder Handwerker ein armes Leben führen.
Im Jahre 1525 begann die Glaubensspaltung, angestiftet von Luther mit seinen 95 Thesen. Die Bauern jubelten und forderten Freiheit und Gleichheit. Man brauche die kirchliche Obrigkeit nicht zu achten, weil alle Menschen gleich seien vor Gott. Am 8. Februar 1523 predigte Heinrich Pfeifer – ausgesprungener Mönch des Klosters Reifenstein – vor der Mühlhäuser Marienkirche und tobte gegen Adel und Klerus. Gewiss die Lage der damaligen Bauern war sehr schlecht, sie mussten unermessliche Fronen verrichten. Pfeifer bekam noch Hilfe von einem abtrünnigen Pfarrer namens Thomas Müntzer. Auch aus dem Eichsfeld wurden Anhänger angelockt. Nun begann der Bestürmung der Klöster. Aber Gott sei Dank brachte vorher der damalige Anröder Propst Arnold Luckart wertvolle Gegenstände und Urkunden nach Heiligenstadt in Sicherheit. Am 26. April 1525 zogen die Bickenrieder Bauern vor die Tore des Klosters und forderten Einlass. Der Propst und die Äbtissin fragten der Gleichensteiner Vogt Matthias Hundeborn was sie tun sollten. Der Vogt befahl, kopflos und selbst ohnmächtig, die Bauern hinein zu lassen und ihnen essen und trinken zu geben. Jetzt konnte das Verderben nicht mehr abgewendet werden. In der Nacht vom 27. auf den 28. 4. flüchteten die Klosterinsassen schweren Herzens aus ihrem Kloster. Die meisten zu ihren Angehörigen oder woanders hin. Als die Bickenrieder Bauern das erfuhren, fielen sie in die geweihten Gebäude ein und verwüsteten alles. Was sie nicht mitnehmen konnten zerschlugen sie. Sie nahmen zwei Glocken mit und brannten das Kloster nieder. Mit dem Beutegut fuhren sie nach Görmar in Müntzers Hauptlager. Unterwegs wollte man die Anröder Klosterglocken verkaufen. Es kam aber zu keiner Einigung und so blieben die Glocken irgendwo stehen. In Görmar vereinigte man sich mit einer Horde die das Kloster Zella und die Katharinenberger Kirche beplündert hatten. Auch die Klöster Worbis, Reifenstein, Beuren, Teistungenburg und die Burgen Scharfenstein und Westernhagen wurden zerstört. Bei Frankenhausen kam es zur großen Schlacht mit dem Fürstenheer. Am 25. Mai 1525 ergab sich Mühlhausen den drei siegreichen Fürsten Georg von Sachsen, Heinrich von Braunschweig und Philipp von Hessen. Es folgte ein hartes Gericht. Müntzer wurde auf seiner Flucht ergriffen, hingerichtet und wie auch Pfeifer enthauptet. Die auf Stangen aufgespießten Köpfe zeigte man zur Abschreckung allen vorübergehenden. Nun fielen die Adligen ins Mühlhäuser Stadtgebiet ein; zerstörten die Ziegenturm- und Dörnaer Warte. Dörna wurde bis auf 2, Lengefeld bis auf 3 Häuser zerstört. Bewohner von Büttstedt, Struth, Dingelstädt, Küllstedt und Beberstedt werden genannt, aber keine Bickenrieder.
Im Bauernkrieg sollen etwa 1000 Klöster und Kirchen, sowie 300 Burgen zerstört worden sein. 150 000 Bauern mussten ihr Leben lassen. Nun begann die Zeit der Kirchenspaltung. Die neue Lehre bekam immer mehr Anhänger. Fasten, Zölibat, Beichte und die Unterordnung unter die kirchliche Autorität missfielen ihnen am alten Glauben. Die schlimmste Zeit des religiösen Verfalls war zwischen 1550 und 1575. Aus dem Jahre 1598 wird berichtet das nur noch ein einziger Mann im Dorf seine Osterbeichte ablegte und mit seiner Familie zum Hülfensberg Wallfahrtete. 1577 wurde David Böddener weltlicher Klostervorsteher und baute das Kloster wieder auf. Böddener stammte aus Hessen und konvertierte nach dem Tode seiner zweiten Frau zum katholischen Glauben. Er wurde 1585 in Erfurt zum Priester geweiht. Der katholische Glaube kehrte wieder allmählich zurück. In Mühlhausen 1566 hingegen wurde den Katholiken die letzte Kirche auch noch weggenommen und der katholische Gottesdienst verboten. 1574 kam Erzbischof und Kurfürst Daniel Brendel von Homburg auf das Eichsfeld um wieder Ordnung in das religiöse Leben zu bringen. Wahrscheinlich wäre Bickenriede auch der Lehre Luthers anheim gefallen, wenn nicht der „Retter“, wie ihn Görich nennt, gewesen wäre.
Nun war fast einhundert Jahre lang Ruhe und Zeit zum Wiederaufbau. Die Zeit des 30jährigen Krieges brachte jedoch viel neue Unruhe im Dorf und natürlich auch im ganzen Land. Truppendurchzüge mit Soldaten verschiedener Länder und Einquartierungen waren sehr häufig. 1632 unternahmen die Eichsfelder einen Rachefeldzug in das Mühlhäuser Gebiet, weil das Dorf Struth vorher in Brand gesteckt wurde. Die Eichsfelder zerstörten am 9. und 28. Juni Lengefeld, Eigenrieden, die Hüpstedter (Eigenröder), Appenthaler (Lengefelder) und Bickenrieder (Dörnaer) Warte. Kaum eine Woche später fielen die Mühlhäuser ins Eichsfeld ein und zerstörten Anrode und Bickenriede. Dies geschah am 4. und 6. Juli 1632.
Am 17.2.1642 brandschatzten 300 schwedische Reiter unser Dorf neben anderen eichsfeldischen Ortschaften. Der Friede von Münster und Osnabrück vom 24. Oktober 1648 beendete den 30jährigen Krieg. Ganz Deutschland war zerstört und die Bevölkerung mehr als um die Hälfte geschrumpft. Noch am 12. März 1648 wurde die Burg Gleichenstein von den Schweden abermals zerstört und das Kloster Anrode am 7. Mai erneut geplündert. In Bickenriede standen noch 47 Häuser, die aber alle sehr zerfallen waren. Bis 1664 wurden 35 neue Häuser gebaut. Das Schulhaus wurde 1656/57 wieder errichtet. 1708 wurde ein stattlicher Turmhelm mit 4 kleinen Ecktürmen auf den 1499 errichteten Kirchturm gesetzt. 1731-37 wurden ein neuer Hochaltar und zwei Nebenaltäre errichtet. Der 7jährige Krieg (1756-63) brachte neues Leid über die Menschen hier und im ganzen Land. Sieben Jahre lang zogen nun preußische, französische und kaiserliche Truppen durch das Eichsfeld. Die Erholung nach dem 7jährigen Krieg ging schneller als nach dem 30jährigen Krieg vor sich. Die Kriegsschulden lasteten noch lange auf unserem Dorf. In der Periode der Aufklärung verflachte die religiöse Gesinnung. 19 Feiertage wurden abschafft. Ein Unwetter am 25. Juli 1776 richtete gewaltigen Schaden im Dorf an. Ein Blitz schlug in den Kirchturm ein.
1802 kam Bickenriede zum Königreich Preußen infolge des Luneviller Friedens vom 9. Februar 1801. Der Luneviller Frieden beendet den 2. Koalitionskrieg zwischen Frankreich (Napoleon I.) und wechselnden europäischen Allianzen. Diese insgesamt fünf Koalitionskriege kamen infolge der Französischen Revolution 1789 auf. Die ganze linke Rheinseite wurde Frankreich zugesprochen. Als Ausgleich dafür bekam Preußen unter anderem das Gebiet des Eichsfeldes. Am 5. August 1802 kamen preußische Soldaten und Beamte nach Bickenriede und beendeten die über 500 Jahre lange Zugehörigkeit zum Erzbistum Mainz. 1802/03 erfolgte die Säkularisation. Erst am 13. Mai 1810 wurden die Frauenklöster Teistungenburg, Zella, Beuren und Anrode aufgehoben; die anderen Männerklöster Gerode und Reifenstein ja schon 1802. Am 23. Oktober 1806 erließ Napoleon ein Edikt, demzufolge das Eichsfeld von Preußen getrennt und französisch wurde. Durch ein französisches Dekret vom 18. August 1807 wurde das Eichsfeld dem Neugeschaffenen Königreich Westfalen zugeschlagen. König wurde Hieronymus, ein Bruder Napoleons. Der Sitz des Departements war in Heiligenstadt. Am 18. Oktober 1813 wurden Napoleons Truppen in der Schlacht bei Leipzig geschlagen. Das Eichsfeld wurde wieder preußisch. Einen tiefen Einschnitt erlebte das Fürstentum Eichsfeld im Jahre 1815 als es geteilt wurde. Der obereichsfeldische Teil blieb bei Preußen, der untereichsfeldische kam zum Königreich Hannover. 1816 wurde Bickenriede – neben 16 anderen eichsfeldischen Dörfern - dem Neugeschaffenen Kreis Mühlhausen zugeschlagen. 1821 wurde das Eichsfeld der Diözese Paderborn angegliedert, nach einem Interregnum von 19 Jahren. Die Trennung von Mainz erfolgte ja 1802. 1930 wurde der Regierungsbezirk Erfurt mit dem Obereichsfeld dem Bistum Fulda zugeordnet. Diese Zugehörigkeit zum Bistum Fulda endete 1994 mit der Erhebung des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen zum Bistum Erfurt.
Am 1. Weltkrieg nahmen 269 Bickenrieder Männer teil, wovon 83 gefallene zu beklagen sind. Im 2. Weltkrieg starben 125 Männer aus unserem Ort. Gott sei Dank blieb das Dorf weitestgehend vom Krieg verschont. Nur am 7. April 1945 kam es zu einem Rückzugsgefecht zwischen der deutschen Wehrmacht und Amerikanischen Truppen, wobei ein Haus und acht Scheunen zerstört wurden. Die Kirche erhielt zahlreiche Einschüsse. Eine Frau wurde getötet. Im Nachbardorf Struth wütete der schon verlorene Krieg umso heftiger. In Struth wurden 65 Häuser, 165 Scheunen zerstört. Insgesamt fielen 11 Einwohner den Kampfhandlungen in Struth zum Opfer. In Deutschland begann nun die Zeit der Besatzung.
Auf Grund des Potsdamer Abkommens (17. Juli bis 2. August 1945) wurde der sowjetischen Besatzungsmacht das bisher von den Amerikanern eroberte Gebiet zugesprochen. Bereits am 1. Juli 1945 hatten die Amerikaner das Eichsfeld der Roten Armee überlassen. Eine Diktatur wurde durch eine andere abgelöst. Ab dem 7. Oktober 1949 war Bickenriede ein Dorf in der DDR und gehörte zum Neugegründeten Bezirk Erfurt. Mit der Wende im Herbst 1989 kam eine neue Zeit. Seit dem Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 endet das Kapitel der DDR. Es ist der letzte historische Höhepunkt in der Geschichte Deutschlands und unseres Dorfes Bickenriede.
Bildstock Vierzehnheiligen
